EIN LIED KANN EINE BRÜCKE SEIN
 

Der zweite Weltkrieg war Vergangenheit, als Anfang der 50er Jahre in London die ersten Pläne über eine Zusammenarbeit der westeuropäischen Rundfunkanstalten vorgelegt wurden. Die neuen Idealisten Europas wollten einen Weg finden, die Länder Europas besser miteinander zu verbinden. Sie wollten aber unbedingt vermeiden, dass diese Idee durch eine politische Entscheidung in die Welt gesetzt wird. Mittlerweile trat das Fernsehen ganz rapide in Erscheinung, und immer mehr Leute interessierten sich für dieses Phänomen. Das erleichterte die Realisierung der Idee vom vereinten Europa. Unter Mitwirkung US-amerikanischer Fernsehsender und 23 europäischer nationaler Rundfunkanstalten konnte man die ersten Versuche starten. Am 12. Februar 1950 wurde  in Torquay (Großbritannien) die EBU - European Broadcasting Union, auf deutsch "Europäische Rundfunkunion" - gegründet. Ziele dieses Zusammenschlusses des europäischen Rundfunks waren einerseits der Austausch von Fernsehprogrammen und auch Gemeinschaftssendungen, andererseits die Verteidigung der Interessen des Rundfunks im technischen und juristischen Bereich. Die erste Eurovisionsübertragung war die Krönung der Königin Elisabeth II. von England am 02. Juni 1953. Es folgte 1954 die Fußball-WM in der Schweiz und die olympischen Winterspiele 1956 aus dem italienischen Ort Cortina d´Ampezzo. Um mehrere gemeinsame Übertragungen zu ermöglichen, beschlossen die Verantwortlichen der Eurovision die Durchführung eines jährlichen Liederwettstreits mit der Teilnahme aller der EBU angeschlossenen Länder. Das Ganze wurde anfänglich sehr skeptisch betrachtet. Am 24. Mai 1956 fand in Lugano in der Schweiz der allererste Eurovision Song Contest statt. Gerade 7 Länder nahmen an der Premiere teil, und ausgerechnet Großbritannien blieb der Geburt dieses Events fern. Mit der Zeit zeigten immer mehr Länder ihre Begeisterung für dieses Format, so dass die Teilnehmerzahl kontinuierlich anstieg. Später schlossen sich der EBU auch mehrere arabische Länder an, aber bis auf einen einzigen marokkanischen Beitrag im Jahr 1980 und eine Anmeldung und spätere Absage Tunesiens 1977 und des Libanon 2005 fand kein anderes Land den Weg dorthin. Heute ist die Zahl der beteiligten Länder mittlerweile auf bis zu 40 gestiegen. Dieses Wachstum entstand aber nur durch einige politische und gesellschaftliche Veränderungen ( Teilung von Ex - Jugoslawien und auch der früheren Sowjetunion). Die Urheber des Song Contests sollten stolz sein auf das, was sie geschaffen haben. Seit 50 Jahren übt dieses Musikspektakel trotz der großen Probleme, die von Zeit zu Zeit auftauchen, eine einzigartige Faszination aus. Die festliche Atmosphäre des Abends, die Präsentation der Künstler und Lieder, früher auch in den verschiedenen Sprachen, und natürlich die Spannung bei der Punktevergabe sind charakteristische Elemente und machen die Anziehungskraft der Veranstaltung aus. Außerdem ist diese Veranstaltung für Musikinteressierte der einzige Weg, die Musikkultur  wie auch die Mentalität anderer Völker ein bisschen besser kennen zu lernen

Nach der anfänglichen Begeisterung und vieler positiver Signale für die Existenz dieser Institution kam die erste Krise. Denn die Musikszene wurde immer breiter und vielseitiger, und die Kritik war nach einigen Jahren nicht mehr so ermutigend. Die sogenannten " Fachleute " haben ein neues Opfer gefunden, um ihre angebliche Fachkundigkeit unter Beweis zu stellen. Sie versuchen bei jeder Gelegenheit, das Image des Song Contest zu beschädigen, und sie haben es fertig gebracht, einige Länder zu verunsichern, so dass sie ihr ursprüngliches Interesse am Grand Prix verloren. Mit der Zeit kam es so weit, dass manche Länder ihre Teilnahme von der Platzierung abhängig machten - alle skandinavischen Länder im Jahr 1970, wie auch Monaco , Luxemburg und auch Griechenland später - denn der nationale Stolz kann auch durch die kleinen Dinge des Lebens angekratzt  werden. Darum sind auch viele der Siegertitel im eigenen Land zu einem großen Hit geworden, während sie in den anderen Ländern keine Beachtung fanden. In der Anfangsphase haben noch sehr viele bekannte Künstler mitgewirkt. Sie haben den Song Contest als eine Herausforderung für ihre weitere Karriere betrachtet und fürchteten sich nicht vor einem Misserfolg. Namen wie Lys Assia (1956 bis 1958 für die Schweiz am Start und erste Grand - Prix - Gewinnerin), Cliff Richard ( 1968 und 1973 für Großbritannien dabei), Olivia Newton John 

(Großbritannien 1974 ), Vicky Leandros ( Luxemburg 1967 und Grand-Prix-Siegerin 1972 ), Julio Iglesias (Spanien 1970) und natürlich die schwedische Gruppe ABBA ( Sieger 1974 mit dem Titel "Waterloo"), haben mit ihrer Teilnahme den Grundstein für ihre internationale Karriere gelegt und haben zur  weiteren Existenz dieses Wettbewerbs beigetragen. Andere Künstler wiederum haben diese Institution sehr skeptisch betrachtet und haben es nicht gewagt, beim Grand Prix aufzutreten. Dies ist allerdings der Grund, dass seit geraumer Zeit  der Song Contest unter seinem Image leiden muss. Denn Viele halten den Wettbewerb für einen Musikwettstreit für Nachwuchskünstler und nicht mehr für einen Komponisten- und Texterwettbewerb, wie es anfangs der Fall war.

Dabei gab es noch Künstler, die durch ihre Teilnahme eine internationale Karriere machen konnten. Céline Dion gewann 1988 für die Schweiz, sie wurde aber von den Europäern abgelehnt. Einige Jahre später stürmte sie die Charts  überall auf der Welt. Sie sammelte am laufenden Band goldene Schallplatten, Grammys und Oscars. Johnny Logan, Ofra Haza, Toto Cutugno, Gina G., Dana International oder auch die Gebrüder Olsen konnten die Teilnahmen beim ESC entsprechend vermarkten. 

Die These der Kritiker gegenüber dem Song Contest, dass die dort vorgetragene Musik nicht dem Zeitgeist entspricht, stimmt in vieler Hinsicht auch nicht. Es handelt sich dabei um keinen Wettbewerb der leichteren Unterhaltungsmusik - in Deutschland oft Schlagerwettbewerb genannt - sondern um einen Liederwettstreit. Das Wort Lied, Song, Chanson umfasst einen größeren Musikbereich. Jeder, der den Song Contest aufmerksam verfolgt, weiß, dass das Musikangebot dieser Veranstaltung sehr vielfältig ist: Pop, Rock, Folklore, Schlager, Reggae, Hip-Hop, experimentelle Musik u.v.a. Diese breite Auswahl an Musikrichtungen macht eben den Song Contest zu einem der größten Unterhaltungsprogramme, das eine außergewöhnliche und reizvolle Faszination ausübt. Skandale gehören selbstverständlich dazu. Was am Anfang nur eine Idee darstellte, ging über die Zeit hinweg und entwickelte sich zu einer Legende. 50 Jahre Eurovision Song Contest sind vergleichbar nur mit den olympischen Spielen und zeigen, dass Kritiker und sogenannte Fachleute mit ihren subjektiven Behauptungen oft daneben liegen.

 

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