Freitag, 19 Februar 2016 16:40

Interview mit Tobias Sammet von AVANTASIA

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Andreas von Reth sprach mit Tobias Sammet.

 

Hallo Tobias, vorab schon einmal vielen Dank für das Interview.

Es sind nur noch wenige Tage, bis zum deutschen Vorentscheid zum Eurovision in Stockholm. Wie sieht es im Moment in dir aus? Bist du eher angespannt? Aufgeregt? Oder lässt du es einfach auf dich zukommen?

 

T.S.: Einen wunderschönen guten Tag! Ich bin seit Wochen bis über beide Ohren mit der Promotion für‘s neue Album beschäftigt, da bleibt leider gar nicht so viel Zeit drüber nachzudenken, ob ich aufgeregt sein sollte oder nicht. Dazu kommen gerade die intensiven Vorbereitungen zur Welttournee, die Anfang März in Europa startet, trotzdem verliere ich den ESC-Vorentscheid nicht aus dem Blick und freue mich einfach drauf. Für mich ist das eine willkommene Abwechslung.

 

Soweit ich weiß, hast du bisher eigentlich keine große Beziehung zur Eurovision. Könnte das vielleicht sogar ein Vorteil für dich sein, dass du einfach deine Musik präsentieren kannst, ohne dir viel Gedanken machen zu müssen, was eventuell angesagt ist und wie es am besten ankommen kann?

 

T.S.: Ich bin relativ entspannt, zumal ich eben nicht anders kann, als ganz ehrlich an jeglichen Trends vorbei die Musik zu spielen, die mir im Blut liegt, egal ob sie ankommt oder nicht. Ich mache das ja seit vielen Jahren und habe nie darauf geschielt, was gerade angesagt ist oder was die Plattenfirma sich wünscht. Das mag egoistisch sein, aber für mich fühlt sich das so am besten an, und egal ob beim ESC oder im privaten Leben: Ich gehe lieber mit Pauken und Trompeten baden, als etwas entgegen meiner Überzeugung zu tun. Als wir vor 20 Jahren bei Plattenfirmen vorstellig wurden, wurden wir mit dieser Musik ausgelacht, danach kann einen kaum noch was erschüttern und man bekommt eine gewisse Gelassenheit.

 

In wieweit hast du Schlagzeilen vom ESC in den letzten Jahren wahrgenommen? Beispielweise den Sieg der finnischen Hardrocker von Lordi vor 10 Jahren, die damit den Wettbewerb für weitere Musikrichtungen öffneten. Oder den deutschen Sieg von Lena oder Österreichs Triumph von Conchita Wurst?

 

T.S.: Selbst ich als Selten-Fernseher habe meistens mitgekriegt, wer gewonnen hat. Bei Lena hatte ich nicht mit einem Sieg gerechnet, das sollte ich jetzt besser nicht sagen, denn das spricht natürlich nicht gerade für mein Musikverständnis. Lordi kamen aus unserer Szene, der Sänger leitete damals den finnischen Kiss-Fanclub und bei Avantasia haben ja einige Kiss-Leute mitgespielt, da kriegt man alles irgendwie mit, man ist eine große Familie.

 

Als ich „Mystery of a Blood Red Rose“ das erste Mal hörte, dachte ich „Meat Loaf hat ein Lied für Bruce Dickinson geschrieben.“ Tatsächlich hast du den Song für Meat Loaf geschrieben, das Ganze aber als Duett mit ihm, was ja dann leider nicht zustande kam. Hattest du auch mal überlegt, das Lied noch mit jemand anderem zu singen, als jetzt solo?

 

Avantasia2015f

T.S.: Danke für das Kompliment. Bruce Dickinson ist der Chef. Ich liebe Bruce Dickinson, ein grandioser Sänger und Frontmann und auch ein cooler Typ, den ich schon öfter für Avantasia als Gast im Auge hatte. Als Meat Loaf absagte, dachte ich noch kurz an Eric Martin von Mr. Big, da er auch bei der kommenden Tour dabei sein wird, aber irgendwie entschieden wir uns dann dazu, diesen Song alleine mit meinem Gesang zu

machen.

 

Du hast ja schon mit den absoluten Größen der Rockszene zusammengearbeitet!Alice Cooper, Klaus Meine, Kai Hansen oder auch der wundervollen Sharon den Adel, um nur ein paar zu nennen. Welches waren für dich die bisher schönsten Momente deiner Zusammenarbeit mit anderen Künstlern? Mit welchem Künstler würdest du gerne mal zusammenarbeiten?

 

T.S.: Ich würde gerne mit mal mit Bruce Dickinson oder Steve Perry von Journey arbeiten. Aber natürlich bin ich auch glücklich, die Erfahrungen mit meinen bisherigen Gästen gesammelt zu haben. Ich finde es immer spannend, mit Leute zu arbeiten, die einen selbst beeinflusst haben. Man kann von solchen Musikern etwas lernen, wenn man neben ihnen im Studio oder auf der Bühne steht, denn viele meiner Mitmusiker bei Avantasia machen seit 30 oder 40 Jahren Musik. Ich kann mich an eine Tour mit Aerosmith vor vielen Jahren erinnern, das war für mich grandios, jeden Abend vom Bühnenrand Steven Tyler zuschauen zu können. Es gibt immer wieder Momente, für die ich unendlich dankbar bin. Wir haben vor ein paar Jahren mit Iron Maiden in einem Stadion in Spanien gespielt, da kam direkt nach unserer Show deren Bandleader zu uns in die Garderobe spaziert und bedankte sich, weil er die Show geil fand. Das sind unbezahlbare Momente, die sind viel mehr wert, als jeder Scheck der Plattenfirma.

 

Wenn du gewinnen solltest, wäre dein Song ein eher ungewöhnlicher Beitrag aus Deutschland. Dabei ist der Metal doch ein großes Stück deutscher Musikgeschichte.Bands wie Kreator, Blind Guardian, Helloween und viele andere sind seit Jahrzehnten weltweit erfolgreich, von den Scorpions mal ganz zu schweigen. Warum wird dieses Genre deiner Meinung nach so schlecht von den Medien behandelt – fast ignoriert, obwohl man doch aus deutscher Sicht stolz drauf sein könnte?

 

T.S.: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Vielleicht sind einige Dinge, die unter „Heavy Metal“ laufen, nicht wirklich gesellschaftsfähig. Aber das gibt es in jeder Szene und jeder Sparte. Die Musik ist einfach aus ihrer Geschichte heraus der Soundtrack für den Rand der Gesellschaft, irgendwie das schwarze Schaf der Unterhaltungsbranche. Vielleicht ist das auch nicht so schlimm, denn schließlich überlebt Heavy Metal jeden Trend der Welt.

 

 

Du bist mit 9 weiteren Künstlern im Wettbewerb. Hast du dir ihre Beiträge schon angehört? Wenn ja, welche gefallen dir selber davon am besten?

 

T.S.: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich noch nichts gehört habe. Das mag jetzt ignorant klingen, aber das hat überhaupt nichts mit mangelndem Respekt vor anderen Musikern zu tun. Seit Monaten sind meine Tage gefühlt 10 Stunden zu kurz, da ich bei Avantasia die Interviews alleine mache und das Album weltweit erschien, musste ich wochenlang Interviews geben, wir stecken in den Vorbereitungen auf die Tour, und wenn ich an einem regnerischen Sonntagvormittag mal eine Pause habe, dann ist meine vernachlässigte Familie an der Reihe. Ich gehe mal davon aus, dass keine weiteren Rockbands am Start sind, denn sonst würde ich sie kennen.

 

Auch wenn Chartpositionen nicht unbedingt was über die Qualität von Musik im allgemeinen aussagen, möchte ich dir trotzdem zum Einstieg deines neuen Album direkt von 0 auf 2 gratulieren und hoffe, dass es genügend Fans gibt, die am 25. Februar für dich anrufen werden, damit Deutschland endlich mal wieder einen besonderen Beitrag nach Europa schickt!

 

T.S.: Vielen Dank! Hoffen wir das Beste. Wir geben Gas, und sollten wir nach Stockholm kommen, dann hätten wir die Metalfans aus ganz Europa hinter uns. Ob es so weit kommt, weiß keiner. Ich lass mich überraschen...

 

Viel Erfolg und alles Gute, und ich hoffe, ich bekomme dann nach dem 25.02 auch noch ein Interview für Stockholm...

 

(Andreas von Reth vom Stammtisch Ruhrgebiet/Niederrhein) 

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