66. Eurovision Song Contest - 14. Mai 2022 | |
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Halle | PalaAlpitour |
Motto | The Sound of Beauty |
Moderation | Laura Pausini, Alessandro Cattelan, Mika |
Pausen-Acts | Måneskin, Gigliola Cinquetti, Laura Pausini, Mika |
Wertung | Jury-/Televoting 50/50% |
Teilnehmer | 40 Länder (Finale 25 / Semifinale 1 - 17 / Semifinale 2 - 18) |
Siegerland: Ukraine | |
Interpreten: Kalush Orchestra | |
Titel: "Stefania" | |
Musik: Ihor Didenchuk, Tymofii Muzychuk, Vitalii DuzhykText: Ivan Klymenko, Oleh Psiuk |
ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Die italienische Stadt Turin gewann das Rennen um den Austragungsort des 66. Eurovision Song Contest, nachdem sie 16 andere konkurrierende Bewerbungen besiegt hatte. Das Finale fand am Samstag, 14. Mai, im PalaOlimpico (Pala Alpitour) statt, die Semifinals am 10. und 12. Mai. Die Hauptstadt des Piemont war nach Neapel (1965) und Rom (1991) die dritte italienische Stadt, die die Veranstaltung ausrichtet. Die Mehrzweckhalle im Süden der Stadt fasst maximal ca. 15.500 Zuschauer.
Bereits kurz nach dem Sieg Italiens in Rotterdam hatten Vertreter*innen mehrere italienischer Städte ihr Interesse an der Austragung des ESC 2022 bekundet. Insgesamt gab es 17 Bewerbungen von großen Städten, aber auch von kleineren Gemeinden:
Die Städte Bologna, Genua, Florenz, Mailand, Rom, Turin, Triest, unter den regionalen Hauptstädten, reagierten auf die Ankündigung von RAI zur Interessenbekundung, während die Provinzhauptstädte Alessandria, Matera, Pesaro, Rimini und Viterbo umfassten. Die Gemeinden Acireale (Catania), Bertinoro di Romagna (Forlì - Cesena), Jesolo (Venedig), Palazzolo Acreide (Syrakus), Sanremo (Imperia) waren ebenfalls Kandidaten.
RAI hatte einen Katalog mit den Bewerbungskriterien erstellt. Eine geeignete Gastgeberstadt musste folgende Mindestanforderungen erfüllen:
- einen internationalen Flughafen in weniger als 90 Minuten Entfernung,
- Über 2000 Hotelzimmer in der Nähe der Halle
- Eine Infrastruktur (Stadium, Halle, Zentrum), die eine Live-TV-Sendung dieser Größenordnung möglich macht.
Diese Infrastruktur verlangt:
- eine überdachte Halle mit Klimaanlage und ausreichendem Umfang
- eine Zuschauerkapazität in der Halle von mindestens 8000 bis 10000, was 70 Prozent der Maximalkapazität für normale Konzerte bedeutet wegen der Bühnen- und Technikaufbauten
- Möglichkeiten für das Pressezentrum, Garderoben etc.
- Verfügbarkeit mindestens sechs Wochen vor den Shows, zwei Wochen vor dem Finale und eine Woche zum Abbau
Die Zahl der infrage kommenden Städte wurde zunächst anhand der Bewerbungen von 17 auf folgende 11 reduziert:
- Acireale
- Alessandria
- Bologna
- Genua
- Mailand
- Palazzolo Acreide
- Pesaro
- Rimini
- Rom
- Sanremo
- Turin
In einem weiteren Schritt wurden weitere sechs Städte aussortiert, so dass noch diese fünf Städte in der finalen Auswahlrunde waren:
- Bologna
- Mailand
- Pesaro
- Rimini
- Turin
Diese Städte wurden dann von Repräsentant*innen der RAI und der EBU besucht. Am 8. Oktober 2021 verkündete die EBU dann die Entscheidung für Turin.
Ursprünglich sollten insgesamt 41 Länder am ESC 2022 teilnehmen. Allerdings schloss die EBU am 25. Februar 2022 Russland offiziell vom diesjährigen Wettbewerb aus: „Die Entscheidung spiegelt die Besorgnis wider, dass angesichts der beispiellosen Krise in der Ukraine die Aufnahme eines russischen Beitrags in den diesjährigen Wettbewerb den Eurovision Song Contest in Verruf bringen würde“. So nahmen insgesamt 40 Länder teil. Armenien und Montenegro kehrten zum Wettbewerb zurück.
Erstmals seit 2016 wurde die Bühne nicht vom deutschen Designer Florian Wieder entworfen, sondern die RAI beauftragte das Atelier Francesca Montinaro damit. Der italienische Garten war eine der Hauptinspirationen für das Bühnenbild. Es stand unter dem Motto „The Sun Within“ und basierte auf den Bewegungen und dem Licht einer kinetischen Sonne. Die Bühne war von Wasser eingerahmt und im Vordergrund bildete ein "italienischer Garten" die Kulisse für den Greenroom. Der Hauptbestandteil des Bühnenbildes, die "kinetische Sonne", sollte sich eigentlich bei jedem Auftritt verändern, allerdings stellte sich bei den Proben heraus, dass es zuviel Zeit brauchte, die beweglichen Elemente zu jedem Auftritt in eine entsprechende neue Position zu bringen. So wurde diese Möglichkeit nur für die Pausen-Acts genutzt. Die Delegationen, die die bewegliche "Sonne" in ihr Staging integriert hatten, musste sich kurzfristig umorientieren.
Die Übergabe der "Host-Insignien" von Rotterdam an Turin sowie die Semifinalauslosung fand am 25. Januar 2022 im Palazzo Madama in Turin statt. 35 Semifinalisten wurden den beiden Semifinals zugelost. Da der Vorjahressieger und Gastgeber Italien den sog. BIG 5 angehört (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Ver. Königreich), die automatisch für das Finale qualifiziert sind, traten im Finale am 14. Mai 2022 25 Länder an und nicht 26 - wie sonst gewohnt, wenn ein Semifinalist gewonnen hat.
Bereits am Freitag, dem 21. Januar 2022, wurde in einer ungewöhnlichen kurzen Vorabmeldung das diesjährige Motto und Logo vorgestellt, vermutlich, weil in Turin bereits entsprechende Fahnen wehten:
"Die Inspirationen hinter dem Slogan und der thematischen Kunst des Eurovision Song Contest 2022 sowie Informationen darüber, wie die neue Identität des Wettbewerbs alles informiert und inspiriert, vom Merchandising bis zum ehrgeizigen Bühnenbild, wurden am Montag, den 24. Januar, bekannt gegeben." Um den Klang und seine visuellen (und schönen) Eigenschaften darzustellen, basiert das Design auf der symmetrischen Struktur und den Mustern der Kymatik – der Lehre von Schallwellenphänomene.
Alessandro Cattelan, Laura Pausini und Mika (v.r.n.l.). Das wurde im Verlauf des zweiten Abends beim Sanremo-Festival offiziell bekanntgegeben.
Den ESC 2022 moderiertenLaura Pausini gewann 1993 in der Newcomer-Kategorie das Sanremo-Festival mit „La solitudine“. Daran schloss sich eine beispiellose Karriere an: Allein im Jahr 2021 gewann sie vier Latin Grammys, einen Grammy Award, einen Golden Globe und erhielt eine historische Oscar-Nominierung (für das erste vollständig auf Italienisch gesungene Lied, das nominiert wurde), bevor sie bei den 93. Academy Awards mit „Io sì“ auftrat.
Alessandro Cattelan ist seit 20 Jahren ein sehr bekanntes Gesicht im italienischen Fernsehen. Er hat neue Shows konzipiert und viele Sendungen moderiert, u.a. „La lene“ und „X Factor“.
Der libanesisch-britische Singer-Songwriter Mika hat seit seinem Debüterfolg mit „Grace Kelly“ 2007 eine große Karriere gemacht. Er ist im italienischen Fernsehen sehr bekannt durch seine Funktion als Mentor bei „X Factor“ und seine Moderation der Unterhaltungsshow „Stasera Casa Mika“.
In einem Interview mit der italienischen Zeitung "La Repubblica" kündigte Mika an, er werde eine „provokative Vorstellung“ geben, Er trat gemeinsam mit Laura Pausini im zweiten Semifinale auf. Laura Pausini eröffnete das Finale.
Erstmals seit 2016 wurde die Bühne nicht vom deutschen Designer Florian Wieder entworfen, sondern die RAI beauftragte das Atelier Francesca Montinaro damit. Die Multimedia-Künstlerin und Bühnendesignerin hatte bereits 2013 die Bühne „The Ripped Backdrop“ für das Sanremo-Festival und „The Trampoline in the Clouds“ für die Ausgabe 2019 geschaffen.
Ihr Bühnenbild für den ESC enstand unter dem Motto „The Sun Within“ und basierte auf den Bewegungen und dem Licht einer kinetischen Sonne. Die Bühne war von Wasser eingerahmt und im Vordergrund bildete ein "italienischer Garten" die Kulisse für den Greenroom. Der Hauptbestandteil des Bühnenbildes, die "kinetische Sonne", sollte sich eigentlich bei jedem Auftritt verändern, allerdings stellte sich bei den Proben heraus, dass es zuviel Zeit brauchte, die beweglichen Elemente zu jedem Auftritt in eine entsprechende neue Position zu bringen. So wurde diese Möglichkeit nur für die Pausen-Acts genutzt. Die Delegationen, die die bewegliche "Sonne" in ihr Staging integriert hatten, musste sich kurzfristig umorientieren.
Carolina By Domenico und Gabriele Corsi.
Der Willkommensempfang und das Defilee der Interpret*innen auf dem Türkisen Teppich fand am Sonntag, dem 8. Mai 2022, am und im Venaria-Palast (Reggia di Venaria) stattf, moderiert von
Das Eurovision Village war im Parco del Valentino von Samstag, den 7. bis Samstag, den 14. Mai geöffnet und zeigte die Partner des Wettbewerbs, lokale Künstler und interaktive Ausstellungen, die alle von der Fondazione per la Cultura Torino organisiert wurden. Der Parco del Valentino wurde 1856 als Italiens allererster öffentlicher Garten angelegt. Das Village war auch mit einer Bühne und einer Videowand ausgestattet. Es gab dort Auftritt von Teilnehmenden des ESC 2022 und Live-Übertragungen der drei Shows.
Es gab in Turin keine offizielle Location für den EuroClub, der traditionell von der Gastgeberstadt organisiert wird und wo die Delegationen und die Akkreditierten, manchmal auch die Fans, sich treffen und feiern können. Dieses Mal wurden stattdessen zehn Veranstaltungsorte ausgewählt, die als offizielle EuroClub-Räume fungierten.
In den drei Live-Shows traten u.a. Gigliola Cincquetti, Il Volo, Diodato und Vorjahressieger Måneskin auf. Details gibt es hier.
DIE WERTUNG
DIE TEILNEHMENDEN - FINALE
1.
"Lights Off" | Punkte: 38 M.: Benjamin Rekstad, | |
2.
"Llámame" | Punkte: 65
| |
3. MARO "Saudade Saudade" | Punkte: 207
M.: MARO, John Blanda | |
4. The Rasmus "Jezebel" | Punkte: 38
M. & T.: | |
5. Marius Bear "Boys Do Cry" | Punkte: 78
M. & T.: | |
6. Alvan & Ahez "Fulenn" | Punkte: 17
M.: Alexis Morvan Rosius | |
7. Subwoolfer "Give That Wolf a Banana" | Punkte: 182
M. & T.: | |
8. Rosa Linn "Snap" | Punkte: 61 M.: Rosa Linn, | |
9. Mahmood & BLANCO "Brividi" | Punkte: 268
M. & T.: | |
10. Chanel "SloMo" | Punkte: 459 M.: Arjen Thonen, | |
11. S 10 "De Diepte" | Punkte:171
M.: Davide Petrella, | |
12. Kalush Orchestra "Stefania" | Punkte: 631
M.: Ihor Didenchuk, | |
13. Malik Harris "Rockstars" | Punkte: 6
M. & T.: | |
14. Monika Liu "Sentimentai" | Punkte: 128
M. & T.: | |
15. Nadir Rustamli "Fade To Black" | Punkte: 106
M. & T.: | |
16. Jérémie Makiese "Miss You" |
Punkte: 64
| |
17. Amanda Georgiadi "Die Together" | Punkte: 215 M.: Amanda Georgiadi Tenfjord, | |
18. Systur "Með hækkandi sól" | Punkte: 20 M. & T.: | |
19. Zdob și Zdub & Frații Advahov "Trenulețul" | Punkte: 253
M. & T.: | |
20. Cornelia Jakobs "Hold Me Closer" |
Punkte: 438
M. & T.: | |
21. Sheldon Riley "Not The Same!" | Punkte: 125
M.: Sheldon Riley Hernandez, | |
22. Sam Ryder "SPACE MAN" | Punkte: 466
M. & T.: | |
23. Ochman "River" | Punkte: 151 M.: Krystian Ochman, | |
24. Konstrakta "In Corpore Sano" | Punkte: 312
M.: Ana Đurić, | |
25. Stefan "Hope" | Punkte: 141
M.: Stefan Airapetjan, |
DIE TEILNEHMENDEN - SEMIFINALE 1
1. Ronela Hajati "Sekret" | Punkte: 58
M. & T.: | |
2. Citi Zēni "Eat Your Salad" | Punkte: 55
M : Jānis Jačmenkins | |
3. Monika Liu "Sentimentai" | Punkte: 159
M. & T.: | |
4. Marius Bear "Boys Do Cry" | Punkte: 118
M. & T.: | |
5. LPS "Disko" | Punkte: 15 M. & T.: | |
6. Kalush Orchestra "Stefania" | Punkte: 337 M.: Ihor Didenchuk, | |
7. Intelligent Music Project "Intention" | Punkte: 29
M. & T.: | |
8. S 10 "De Diepte" | Punkte: 221
M. & T.: | |
9. Zdob și Zdub & "Trenulețul" | Punkte: 154
M. & T.: | |
10. MARO "Saudade Saudade" | Punkte: 208
M.: MARO, | |
11. Mia Dimšić "Guilty Pleasure" | Punkte: 75
M. & T.: | |
12. REDDI "The Show" | Punkte: 55 M.: Ihan Haydar, | |
13. LUM!X feat. | Punkte: 42
| |
14. Systur "Með hækkandi sól" | Punkte:103 M. & T.: | |
15. Amanda Georgiadi | Punkte: 211
M.: Amanda Georgiadi Tenfjord, | |
16. Subwoolfer "Give That Wolfa Banana" | Punkte: 177
M. & T.: | |
17. Rosa Linn "Snap" | Punkte: 187 M.: Rosa Linn, |
DIE TEILNEHMENDEN - SEMIFINALE 2
1. The Rasmus "Jezebel" |
Punkte: 162
M. & T.: | |
2. Michael Ben David "I.M" | Punkte: 61
M. & T.: | |
3. Konstrakta "In Corpore Sano" | Punkte: 237
M.: Ana Đurić, | |
4. Nadir Rustamli "Fade To Black" | Punkte: 96
M. & T.: | |
5. Circus Mircus "Lock Me In" |
Punkte: 22
M. & T.: | |
6. Emma Muscat "I Am What I Am" | Punkte: 47 M. & T.: | |
7. Achille Lauro "Stripper" | Punkte: 50 M.: Gregorio Calculli (Greg), | |
8.
Sheldon Riley "Not The Same" | Punkte: 243
M.: Sheldon Riley Hernandez, | |
9. Andromache "Ela" | Punkte: 63 M. & T.: | |
10. Brooke "That's Rich" | Punkte: 47
M. & T.: | |
11. Andrea "Circles" | Punkte: 76
M.: Aleksandar Masevski | |
12. Stefan "Hope" | Punkte: 209
M.: Stefan Airapetjan, | |
13. WRS "Llámame" | Punkte: 118 M.: Andrei Ursu, | |
14. Ochman "River" | Punkte: 198 M.: Krystian Ochman, | |
15. Vladana "Breathe" | Punkte: 33
M.: Vladana, | |
16. Jérémie Makiese "Miss You" | Punkte: 151
M. & T.: | |
17. Cornelia Jakobs "Hold Me Closer" | Punkte: 396 M. & T.: | |
18. We Are Domi "Lights Off" | Punkte: 227 Casper Hatlestad, Dominika Haskova, Abigail Frances Jones, Einar Eriksen Kvaløy T.: B. Rekstad, D. Haskova, A. F. Jones |
DIE WERTUNG - FINALE
DIE WERTUNG - SEMIFINALE 1 + 2
AUS DER PRESSE
Zum letzten Platz Deutschlands gab es entsprechende Kommentare in den deutschen Medien, die sich aber vor allem mit der Frage nach der Ursache befassten.
Marc Latsch macht in der Rheinischen Post vor allem das Auswahlverfahren des NDR verantwortlich: Die jüngere deutsche ESC-Geschichte ist eine Schreckensbilanz wie sie kein anderes Teilnehmerland aufweisen kann. Von den letzten sieben Beiträgen landeten sechs auf dem letzten oder vorletzten Platz und kamen dabei zusammenaddiert auf 50 Punkte, was in diesem Jahr nicht einmal für ein Ergebnis unter den ersten 20 gereicht hätte. Jahr für Jahr versprüht die deutsche Delegation Zweckoptimismus und wirbt für Musiker, von denen sie in der Regel weiß, dass sie auch dieses Mal wieder nichts reißen werden. Wenn es soweit ist, beklagen die einen, dass das schöne Lied und der sympathische Künstler in Europa nicht verstanden wurden. Die anderen fabulieren darüber, dass Deutschland einfach zu unbeliebt sei und deshalb immer verliere. Beides ist Quatsch. Zur Wahrheit gehört wahrscheinlich ein wenig der deutsche Musikgeschmack, vor allem aber eine unvergleichbare Mutlosigkeit in der Vorauswahl. … Es ist ja (hoffentlich) nicht so, dass es im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk niemandem mit Ahnung von Musik gibt. Es gibt dort auch zahlreiche Menschen, die seit Jahrzehnten mit viel Elan und Leidenschaft den Eurovision Song Contest begleiten. Nur sind diejenigen, die beim NDR über den deutschen Beitrag entscheiden, anscheinend vollkommen beratungsresistent. Anders lässt sich die Hartnäckigkeit, mit der Deutschland jeden Musik-Trend verpasst, nicht erklären. … Heute braucht es wieder jemanden, der die Verantwortlichen von ihrem Weg des austauschbaren Pop abbringt. Denn auch dieses Konzept ist überholt. Es kommt weniger denn je beim ESC auf die Musikrichtung an. Was zählt sind ein besonderer Künstler, ein besonderer Titel und eine besondere Inszenierung. Die Rockband Måneskin (ESC-Sieger 2021) wäre in der aktuellen Vorauswahl des NDR allerdings wahrscheinlich ebenso gescheitert wie die diesjährigen Sieger des Kalush Orchestra.
Auch Matthias Schwarz (RND) bemängelt, dem NDR fehle „schlichtweg der richtige Riecher für das, was das nationale und internationale ESC-Publikum von einem Act und einem Song erwartet. Und fast scheint es so, als sträube man sich entschieden dagegen, den ESC-Fans allzuviel Entscheidungsspielraum zu lassen. Warum eigentlich? Warum nicht wieder eine Castingshow wie damals bei Lena? Hat nicht gerade das Publikum die beste Expertise bewiesen?
Imre Grimm (RND) sieht ebenfalls dieses Hauptproblem: „Beim zuständigen NDR sucht man Jahr für Jahr – und mit stets wechselnden Methoden – nach einem Song, der möglichst vielen Menschen gefallen soll. Mit anderen Worten: Man sucht nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Zur Auswahl im Vorentscheid stehen fast immer Songs, die „gefällig“ sind und beim Hören nicht stören. Das ist ein Fehler. Denn nichts ist so wichtig beim Eurovision Song Contest wie aufzufallen, herauszuragen. Das Publikum in Europa stimmt nicht für gute Popmusik. Es will einen Moment des Staunens erleben. Es geht um Emotionen. Und sei es Mitleid mit einem geschundenen Land wie der Ukraine. Oder Begeisterung über einen coolen Briten. Deutschland hingegen wagt nichts. Man sucht nicht nach dem Besonderen, sondern nach dem Universellen… Beim ESC landen Menschen vorn, die eine Geschichte mitbringen. … Es gewinnt, wer mit einem staunenswerten, emotionalen Dreiminutenauftritt seiner Zeit vollendet Ausdruck verleiht. Wer das nicht schafft, wird Letzter. Um zu gewinnen, muss man gewinnen wollen. Stattdessen betonen deutsche ESC-Teilnehmende seit Jahren beharrlich, es gehe ja gar nicht ums Gewinnen. …. Es gibt bei den deutschen ESC-Bemühungen eine gewisse Tendenz zur Augenwischerei. Man versichert sich unter dem Eindruck schmeichelnder ESC-Kolleginnen und -Kollegen in der Eurovisions-Blase gern, dass der deutsche Beitrag „im Prinzip“ schon irgendwie toll und richtig war, von Europa aber leider nicht verstanden wurde. Oder dass die Kameraführung mies und der Startplatz gemein war. Das führt auf Dauer zu nichts.
Felix Bayer (SPIEGEL) setzte sich im Detail mit dem Wertungssystem auseinander und überprüfte die These Peter Urbans (Rheinische Post): „Jedes Land und jede Jury stimmen über 25 Kandidaten ab, aber nur die ersten Zehn in jedem Land erhalten Punkte. Der Elfte kriegt null Punkte. Du kannst 40 Mal im guten Mittelfeld landen und hast immer noch keine Punkte. Insofern ist dieses System ungerecht, das prangern wir schon länger an. Gerechter wäre ein System, in dem jeder von Platz 25 bis Eins Punkte erhält.“
(Zusammenfassung: Michael Sonneck)
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