Am Samstag, dem 19.11. 2022 fand das ECG-Clubtreffen im Kölner GLORIA-Theater statt.
Beim diesjährigen Clubtreffen kamen ca. 270 Gäste in den Genuss eines wirklich hochkarätigen mehrstündigen Programms. In Anbetracht der Tatsache, dass in diesen Zeiten viele Konzertveranstalter über mangelnde Ticketbuchungen klagen und Konzerte gar abgesagt werden müssen, waren wir glücklich, dass so viele ESC-Fans den Weg ins GLORIA-Theater in Köln gefunden hatten. Um deren relative Sicherheit zu gewährleisten, hatten wir die Vorlage eines zertifizierten negativen Corona-Test verlangt. Einige Rückmeldungen von Gästen, die positiv getestet wurden und daher leider an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnten, bestätigten uns in dieser Entscheidung.
Während der bis dahin kälteste Abend des Herbstes die Menschen auf den frisch geöffneten Weihnachtsmärkten draußen bibbern ließ, heizten unsere Acts dem Publikum im muckelig warmen GLORIA kräftig ein.
Nach einem kurzen Intro unseres Moderators Bernd Ochs, der bereits zum vierten Mal in Folge durch den Abend führte, griff das ECG-Präsidium ganz in Schwarz gekleidet selbst zum Mikrofon und begab sich gesanglich auf Spurensuche, warum die deutschen Beiträge in den vergangenen Jahren reihenweise gefloppt sind. Nur Chris Köther brachte bunt gekleidet als Jendrik - stilecht mit Ukulele und Schnapsflasche - ein wenig Farbe auf die Bühne. Das Credo des vom Präsidenten Michael Sonneck verfassten Textes zu den Melodien von "Man gewöhnt sich zu schnell an das Schöne", "Black Smoke", "I Don't Feel Hate", "Sister" und "Perfect Life" lag auf der Hand: Fragt doch mal uns Fans"!
Es folgte ein gewohnt unterhaltsames Stand-up von Bernd mit einem Rückblick auf die vergangene ESC-Saison - unter anderem mit entlarvenden Videoausschnitten der vermeintlichen ESC-Expert*innen Barbara Schöneberger und Thomas Hermanns.
Schon alter Bekannter auf der Bühne des GLORIA ist Mirko Buljan, Gewinner des FanVision 2019 in Malta. Gemeinsam mit Dragqueen Maxima Love als Tänzerin interpretierte er diesmal "My Way" von Tone Sekelius aus dem Melodifestivalen mit Choreografie und Pride-Flag.
Maxima Love entpuppte sich im weiteren Verlauf der Show als einer der Publikumslieblinge des Abends. Mit extravaganten Outfits und raffinierten Tanz- oder Gesangseinlagen zu Songs wie "SloMo" oder "Boom Bang-A-Bang" heimste die Wahl-Frankfurterin einen Szenenapplaus nach dem anderen ein. Tatsächlich kam ihre Interpretation von Chanel qualitativ sehr nah an das Original heran. Zudem verdient es eine Erwähnung, die gute, alte Windmaschine auf der Bühne des GLORIA gebracht zu haben. Ihre vorbereiteten Stücke waren definitiv ein Gewinn!
Unser diesjähriger FanVision-Kandidat Christopher Grevener, der in Helsinki erst im Spätsommer den zweiten Platz belegt hatte, lieferte auf der Bühne seinen Wettbewerbstitel „Fall From The Sky“ gewohnt stimmgewaltig und souverän ab.
Danach war Getter Jaani an der Reihe. Erst am Mittwoch vor dem Clubtreffen hatten wir die 29-Jährige für unser Clubtreffen gewinnen können, nachdem Stefan (ESC 2022 – Estland) wegen einer Lungenentzündung seine Reise nach Deutschland hatte absagen müssen. Getter war aber kein Ersatz für Stefan, sie war allerhöchstens unser Plan B. Denn genauso schnell, wie sie sich in zwei Tagen die Texte unserer Songwünsche wie "Cool Vibes" oder "Once in a Lifetime" draufschaffte, eroberte sie am Wochenende in Köln abseits der Bühne mit ihrer liebenswerten Art unsere Herzen im Sturm. Und beim Publikum trat im GLORIA derselbe Effekt ein. Mit Betreten der Bühne wurde aus dem sonst so schüchterten und reservierten Mädchen eine ausgewachsene Rampensau, die unsere Zuschauerinnen und Zuschauer allerspätestens mit "Rockefeller Street", dem Beitrag, mit dem sie 2011 in Düsseldorf im Finale "nur" den 24. Platz belegt hatte, von den Sitzen riss. Aus der Entfernung schenkte sie allen eine Umarmung, als Andenken gab es ein Selfie mit dem Publikum, welches sie prominent bei Instagram postete mit der Nachricht "Lieber EC Germany, vielen lieben Dank für alles. Es war ein großartiger Abend mit euch allen. Mein Herz ist voller Liebe. Ich bin so dankbar. Ich sende euch allen eine warme Umarmung (Ihr wisst, wie es funktioniert)". Wir hätten uns keinen besseren Stargast an dieser Stelle wünschen können!
Nach einer gemeinsamen Gesangseinlage zu "Wunder gibt es immer wieder" ging es passenderweise zum Thema NDR und Deutsche Vorentscheidung. Unsere „Head of Delegation" Alexandra Wolfslast hatte ihr Kommen zwar zugesagt, konnte dann aber krankheitsbedingt doch nicht nach Köln kommen. Dafür stand Stefan Leidner, seit seinem 14. Lebensjahr ESC-Hardcorefan und verantwortlicher Redakteur für den kommenden Vorentscheid, den Fragen von Bernd und Michael geduldig Rede und Antwort und ließ uns zumindest vorsichtig optimistisch in nahe deutsche ESC-Zukunft blicken.
Vor dem Abendessen wurden zu Konstraktas Beitrag "In corpore sano" von Peter und Lu kräftig Teller gespült – und auch die Füße! Es war wie immer sehr unterhaltsam!
Erster musikalischer Act nach dem Abendessen war Andrei alias WRS, der mit seinem ESC-Beitrag "Llámame" nicht nur in Südeuropa einen kleinen Sommerhit fabriziert hatte. Begleitet von seinem Manager als DJ - funktioniert beim ESC ja bekanntlich weniger - und einer Tänzerin folgte ein tanzbarer Song auf Spanisch und Englisch nach dem anderen. Was beim ESC nicht funktioniert, funktionierte aber im GLORIA. Denn der ESC-18. erhielt großen Beifall, obwohl sein Set nicht die allergrößte musikalische Vielfalt bot.
Unser traditionelles Musical behandelte in diesem Jahr das Märchen "Rotkäppchen". Wie in jedem Jahr konnte man sich aber auf die herausragende Gesichtskirmes der Hauptdarsteller Peter, der sein bereits 20-jähriges Bühnenjubiläum beim Clubtreffen feierte, Lu als Wolf und Michael in einer Doppelrolle als Vater und senile Großmutter, eine sehr präzise Auswahl der richtigen Lieder zur rechten Zeit sowie zahlreiche Lacher im Publikum verlassen. Das Ensemble komplettierten Chris als von den Drehbuchverfassern dazu erfundener Affe sowie Alex als Jäger. "In diesem Jahr ist es wirklich verständlich", hatte Michael - wie eigentlich jedes Jahr - betont. Und weitestgehend hatte er Recht. Wie im Märchen wurden Rotkäppchen und Großmutter zwischenzeitlich gefressen, und es gab ein großes Happy End. Am Ende hatten sich zur neuen Version von "Wer liebe lebt" alle lieb.
Mit der Einführung eines Gedenkvideos der in diesem Jahr verstorbenen ESC-Persönlichkeiten hatte Moderator Bernd gemeinsam mit Stefan Leidner einmal mehr den richtigen Riecher. Trotz mancher Skepsis im Vorfeld traf der emotionale Kurzfilm zu der Musik von "Die Zeiger der Uhr" genau den richtigen Ton. Das gemeinsame Singen von "Rücksicht" des von uns gegangenen Komponisten Volker Lechtenbrink rundete den besinnlichen Teil des Programms ab.
Die Stimme der maltesischen ESC-Teilnehmerin 1998, 2005 und 2009, Chiara, ist noch genauso beeindruckend und gewaltig. Egal, ob mit den Balladen "The One That I Love" und "Listen" oder mit schnelleren Nummern wie "It's Raining Men" oder "Je ne sais quoi": Chiara zeigte, warum sie von vielen als "einziger echter Star in Malta" bezeichnet wird. Als Zugabe gab es noch ihren größten ESC-Hit "Angel".
Aus dem Engel wurde dann die Glücksfee: Nach ihrem grandiosen Auftritt loste Chiara noch die Gewinner unserer Tombola aus. Neben handsignierten Autobiografien von Mary Roos gab es Tickets für die deutsche Vorentscheidung 2023 und als Hauptpreis 500 € und die Option auf ein Ticketpaket für den ESC in Liverpool zu gewinnen.
Markus, Lars, Armen, Hilmer und Bernd interpretierten dann den neudeutschen Begriff "3G" in anderer Form, nämlich mit "Gays, Gabys und Gender". Bei der Parodie wurden 25 Jahre nach Paul Oscar sämtliche Beiträge mit LGBTIQ-Bezug auf unterhaltsame Art und Weise verarbeitet - und da gibt es mittlerweile reichlich Material. Nicht nur ein Song, sondern auch ein Fummel jagte den nächsten. Dabei wurde die besondere Liebe zum Detail und die Spielfreude der Gruppe sowie die Lust, reichlich Bein zu zeigen, durchaus sichtbar - der sicherlich bunteste Beitrag des Abends.
Den musikalischen Schlusspunkt bildeten unsere isländischen Gäste. 17 Jahre nach ihrem Auftritt im Jahr 2005 kehrte Selma zu unserem Clubtreffen zurück, diesmal in Begleitung ihres Gesangspartners Fridrik Omar, zweier unterschiedlicher Outfits und eines flotten, sehr ESC-lastigen Partyprogramms. Natürlich durften auch ihre eigenen Beiträge "All Out of Luck", "If I Had Your Love" (Selma) sowie "This is My Life" (Fridrik) nicht fehlen. Erst am Vorabend hatte sich Selma zudem dazu entschlossen, ihren eigentlichen ESC-Lieblingssong "Neka mi ne svane", den kroatischen Beitrag von 1998, auf der Bühne zu singen, und das machte sie mit besonders viel Herzblut. Beiden war die große Lust auf den Auftritt in Köln in jeder Sekunde anzumerken. Das GLORIA tobte einmal mehr.
Zum guten Schluss verabschieden sich die Aktiven des Programms auf der Bühne zu einer schnellen Version von "Snap“, dem Überraschungs-Charterfolg der armenische ESC-Teilnehmerin 2022 Rosa Linn.
Bei der anschließenden ESC-Disco von DJ Ohrmeister wurde getanzt, bis die Zeiger der Uhr auf 3:15 Uhr standen, die Zeit verging viel zu schnell. Kleiner Trost: Wenn sich die Zeiger weiter so schnell vorwärts drehen, ist der 25. November 2023 nicht mehr fern, an dem das nächste Clubtreffen stattfinden wird.
(Bericht: Benjamin Tonn - Fotos: Martin Backhaus, Berenike Haase)