"EEN BEETJE NET ALS TOEN“
Am 4.11.2000 fand es nun statt, das erste Clubtreffen des Eurovision Club Germany. Der Saal im Lokal „Die Zeit der Kirschen“ wirkte relativ klein, war aber recht hübsch dekoriert mit Maribelle-Postern überall und plüschigen Vorhängen, irgendwie heimelig. Und doch konnte man bereits die Enge ahnen, wenn alle ca. 200 Leute sich niedergelassen hätten.
Um kurz nach 16 Uhr geht es dann auch los: Mit einem Medley aus den verschiedensten ESC-Liedern und Begrüßungstexten kommen drei Damen und zwei Herren auf die Bühne. Ja, wow, tolle Damen, besonders die Dame links außen, erinnert mich an den alten Bibel-Witz: „Jesus ging in die Wüste und eine lange Dürre folgte ihm“. Aber die Dürre ist in Mimik und Gestik einmalig – die anderen sind auch verdammt gut, und meine Laune steigt erheblich.
Nun zeigt sich der neue Präsident und spricht ein paar einleitende Worte. Aha, das ist er also, macht einen ganz sympathischen Eindruck, sagt „Ich möchte mich vorstellen“ und vergisst dann, seinen Namen zu nennen – na ja, auch egal, alle Anwesenden wissen ja, wie er heißt, von mannigfachen Rundschreiben. Danach geht es los mit dem Quiz, vorher wird aber die Moderation noch an Mieke van den Dogt abgegeben. Auch sympathisch!
Die bringt uns auch das Motto des Abends „Een beetje net als toen“ näher und erläutert uns kurz den weiteren Programmablauf.
Dann bringen Mieke und der Präsident uns den schwedischen Beitrag von 1994 "Stjärnona" in der niederländischen Version von Ruth Jacott & Paul de Leeuw "Kijk niet uit".
Nach ein paar charmanten Anzüglichkeiten, die schon für die ersten „Schenkelklopfer“ sorgen, wird das Quiz angekündigt. Täusche ich mich, oder ist schon zu diesem Zeitpunkt eine tolle Stimmung im Saal?
Das Quiz soll folgendermaßen laufen: Man spielt uns ESC-Titel ganz kurz an, und wir alle sollen erkennen, um welches Lied es sich handelt. Die Anfangsbuchstaben der Interpretennamen sollen dann ein Lösungswort ergeben. Damit es leichter wird, werden uns Hilfen angeboten. Da hat man sich manch witzigen pantomimischen Hinweis ausgedacht, an „Hemel en aarde“ mit Pappewölkchen und Blumenerde kommt man nicht vorbei, das ist eindeutig, aber das Rudel Menschen auf der Bühne, was andauernd aufeinander zeigt, verstehe ich erst nach der Auflösung :„Toi“ – ach so, and finally it all makes sense. Zur Darstellung des Titels „Playboy“ von Ann-Christine Nyström aus Finnland hat man sogar extra ein entsprechendes Magazin gekauft, denn dass das jemand zuhause vorrätig hat, natürlich nur wegen der tollen Berichte und Reportagen, glaube ich nicht ganz, aber das ist meine eigene Meinung.
Was soll ich sagen, an unserem Tisch fängt ein großes Gerätsel an, und zum allerersten Mal kommen wir einander näher. Ein Eifer bricht aus, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Alle Mann im Rätselfieber. Als Lösungswort kam dann der estnische Titel von „Diamond of the night“ heraus, den hatte ich mein Lebtag noch nicht gehört. War eine Lösung für ganz ausgebuffte ESC-Fans.
Nach einer weiteren netten Conference geht es dann zum Karaoke-Singen. Apostolos (irgendwie blassgrau geschminkt, wie sein Anzug) und Kay André im Marlène-Charell-Kostüm machen die Moderation. Wir erfahren, dass Marlene eine Laufmasche hat, dass das Kleid etwas eng sitzt und alles wichtigen Details (Hobby, Beruf, Alter etc.) über die Interpreten. Jemand vergisst kurz seinen Text, aber „shit happens“, und er erhält für dieses menschliche Problemchen einen Sonderapplaus. Wir Zuschauer sollen dann bewerten, und das wird wirklich schwierig, nimmt man den Titel mit der tollen Show oder den, der am besten gesungen wurde? Mirko Buljans Version von „No Goodbyes“ (mit Requisiten, hervorragender Choreografie, einem extravaganten Bühnenoutfit und am Ende etwas nacktem Fleisch) gewinnt schließlich den Wettbewerb.
Gabi Lang vom WDR ist da, wird vorgestellt, kurz interviewt und zum Ehrenmitglied des Clubs ernannt. Es scheint, als fühle sie sich wirklich geschmeichelt. Für den verhinderten Horst Senker nimmt sie die Auszeichnung stellvertretend entgegen. Gabi Lang ist übrigens ein zierliches Persönchen mit einer mächtigen Stimme – bei den Einspielern von O-Tönen gefällt mir besonders gut der Hinweis, dass der „Grand Prix in seiner Vielsprachigkeit nur noch mit dem päpstlichen Segen Urbi et Orbi vergleichbar ist“. Leider stimmt dieser Satz ja heute nur noch eingeschränkt.
Die Stimmung im Saal ist immer noch klasse, was nicht zuletzt den tollen Darbietungen und den wirklich charmanten Moderationen zuzuschreiben ist.
Nach der Abendessen-Pause betritt wieder Mieke die Bühne, und – siehe da – Wanda Rumor ist auch da. Die kennt man aus dem Fernsehen, als Außenreporterin beim Kölner CSD oder von der Rosa Sitzung. Ich mochte sie schon im Fernsehen gerne, aber live ist die Frau einmalig! Um nicht zu sagen: ein Erlebnis – ein Gag jagt den nächsten, und wir sitzen alle mit (gelachten) tränenfeuchten Augen im Saal, sie schäkert mit Maribelle und erläutert umfangreich ihre heutige Kleiderauswahl (Chanel No. 22 – B-League – wohl eher Gay-League) und gibt uns schließlich „Wanda gibt es immer wieder“ zum Besten.
Danach geht es in das Finale vom Quiz. Mieke, Wanda, die Dürre, Heppi und Jörg spielen uns eine Szene vor der Damentoilette in der Globen Arena vor, wo Ado Schlier auf Sandra Reemer und Katja Ebstein trifft, und die vier Finalkandidaten sollen die Fehler im Text erkennen. Das Ganze wird leicht chaotisch – Wanda sagt schließlich: „Es entgleitet uns“ – aber doch gut präsentiert. Eine nette Idee, das Quizfinale so zu verpacken. Spaß macht es jedenfalls, sowohl das Mitmachen als auch das Zuschauen.
Nun liegt es beim Präsidenten selbst, eine Nummer aufzuführen. Er gibt dem andächtig lauschenden Publikum den „Troubadour“, entsprechend kostümiert, und erzählt uns im Stile einer Büttenrede des Kölner Karnevals von den deutschen Beiträgen der vergangenen Jahre und ihrer meist mäßigen Ausbeute im internationalen Vergleich. Das Ganze ist gewürzt mit Parodien und Musikeinspielungen, so sehen wir Margot Hielscher als "Miss Juke Box" wieder, musikalisch wird an Joy, Gitte und Mary erinnert, und der Saal grölt jede einzelne Zeile mit. Wanda, Heppi und die Dürre bieten uns „Telegram“ in der Originalchoreografie, was für den größten Applaus im Saal sorgt.
Kay André erinnt lippensynchron und mit dem passenden Gesicht an die besten Versprecher der Marlène Charell, und Wanda gibt uns eine neue Version von Siegels Megakracher „Zeit“ zum Besten. Bei ihr wird daraus „Haar“, und sie beklagt sich bitterlich fast mit tränenerstickter Stimme über das langsam verschwindende Körpergewächs, was dann allerdings in der Aussage gipfelt „Wozu brauch ich Haar?“, und wir dürfen sehen, dass Wanda unter der Perücke tatsächlich nur wenig eigenes Haar trägt. Diese gesamte Nummer, der gereimte Text inklusive der Parodien, war definitiv einer der Höhepunkte des Abends. (Wortlaut des Vortrags hier)
Und schließlich steht sie leibhaftig auf der Bühne, der Gaststar des Abends, Maribelle, und gibt uns einige Songs zum Besten, darunter natürlich „Ik hou van jou“ und „Marionette“ aus der niederl. VE 1981, außerdem viele Evergreens wie z.B. „Fernando“, „I Have A Dream“ oder „Everybody Needs Somebody”, “La Bamba”, “I Got The Music In Me” etc. Die Frau ist toll, sie hat eine tolle Stimme, eine tolle Ausstrahlung und hat offensichtlich eine riesengroße Freude an ihrem Auftritt. Das merkt man, der Funke springt über, und der Saal tobt und kocht fast über. Zur deutschen Version „Du fehlst mir so“ soll der ganze Saal mitsingen. Das Ganze geht zu Herzen, und man wird in romantische Stimmung versetzt. Toller Auftritt – sensationell!
Und schon kommt der letzte Programmpunkt: die Parodien. Sören gibt uns die Gigliola Cinquetti unter der Verwendung von „ja“-Produkten und Verteilung von Giveaways. Wir bekommen Mieke mit einem niederl. VE-Titel: „Alsof je bij me bent“ zu sehen und von Rainer und Michael eine abgefahrene Version von Dänemark 1957, neu arrangiert unter Verwendung von Titeln wie „Save your kisses for me“, „Puppet on a string“ und „La det swinge“, und Jörg präsentiert Lisa del Bo.
Zum großen Finale wird uns dann noch ein niederländischer VE-Titel geboten, „Ze kwamen overzee“ von Nubia, den ich nicht kannte, aber klasse fand, vor allem die Choreografie mit den Ruderbewegungen. Zum Schluss gibt es dann die große Eurodisco, und ich bin überrascht, wie viele Titel des ESC tanzbar sind.
Alles in allem war es ein ganz hervorragendes Clubtreffen, besonders, wenn man bedenkt, dass es unter enormem Zeitdruck organisiert werden musste. Die Stimmung war einmalig, was vielleicht auch an der Enge des Raumes gelegen haben mag. Maribelle, Wanda, Mieke, Heppi und wie sie alle heißen haben unheimlich viel Freude an ihren Auftritten gehabt, und das ist rübergekommen. Es war toll!!!
(Text: Bernd Prähler / Fotos: Ivor Lyttle - EuroSongNews, Reimund Ossé)