Ein anstrengender Probentag liegt hinter uns und ich habe mir in der Halle die volle ESC-Dröhnung gegeben, um den Wissensvorsprung meiner Mitblogger von den ersten beiden Probentagen in Stockholm aufzuholen. Und: Meine Befürchtungen haben sich verfestigt. Alles andere als ein russischer Sieg am Samstagabend würde mich doch extrem wundern.
Sergeys Show ist einfach gigantisch und fesselnd, zudem gehören er und sein Team für mich zu den besten Stimmen des 1. Halbfinals. Von der anwesenden Presse gab es großen Applaus. Der einzige Pümpel, der zwischen Sergeys Beinen landen könnte, ist die Inspiration von Mans Siegerperformance im vergangenen Jahr – nur noch einmal auf die Spitze getrieben. Normalerweise ist es ja eher selten, dass zwei ähnliche Performances in aufeinanderfolgenden Jahren gewinnen...
Insgesamt ist es so, wie es meistens bei Shows und Konzerten in einer Halle ist. Alles hört sich irgendwie gut an, das gesangliche Niveau ist ausgesprochen hoch – mit einer Ausnahme: Aserbaidschan. Samra hat mit ihrem „Miracle“ doch arg zu kämpfen und kräht mehr wie ein Hahn vor der Schlachtung, als sie einen ESC-Beitrag singt. In den letzten Jahren kann ich mich ehrlich gesagt an keinen so krassen stimmlichen Totalausfall erinnern. Vielleicht leiht ihr ja Kaliopi noch eines ihrer drei Stimmbänder, ansonsten müssen die aserbaidschanischen Oligarchen für Dienstag noch einige Überweisungen tätigen… ;)
Während Finnland (nett) und Griechenland (eher nervig) recht unspektakulär durchflutschen, hat mich Moldau positiv überrascht. Stimmlich scheint sich Lidia Isac zur VE deutlich verbessert zu haben, mich stört es nicht, dass sie sich weniger bewegt. Dafür hat sie ja ihren Astronauten… Eine mitreißende Dancenummer, die es wohl trotzdem nicht ins Finale schaffen wird. Da sehe ich eher Ungarn mit seiner Reibeisenstimme, die auch in der Halle gut gewirkt hat. Nach drei Durchläufen von „Pioneer“ ist man dann aber doch froh, wenn ein neuer Künstler die Bühne betritt. Bei Kroatien finde ich es toll, dass auf den LED-Screens nicht einfach ein Leuchtturm eingeblendet wird, sondern dieser mit Scheinwerfern hinter der Bühne imitiert wird. Nina Kraljics Stimme ist sowieso großes Kino.
Auf die Niederlande und Estland lasse ich in diesem Jahr nichts kommen. Kritik jeder Art wir von mir normalerweise bestmöglich abgeschmettert. Leider muss ich bei Estland Defizite im Auftritt leider eingestehen. Zwar ist Jüris Stimme zweifellos top, jedoch ist der Grat zwischen Coolness und Überheblichkeit ein schmaler. Leider. Zudem passt das Bühnenbild dann doch nicht zum Song. „Play“ ist für mich keine Gamblernummer, obwohl Jüri definitiv ein Player ist… Douwe Bob macht seinen Job dagegen bestens. Stimmlich war er gut aufgelegt, mit der zehnsekündigen Pause schafft er es in Erinnerung zu bleiben. Ob das Publikum und die Jurys das nun wählen, lässt sich nicht beeinflussen.
Serhat aus San Marino ist unter Fans schon Kult, darüber hinaus wird er bewusst überhört werden. Sein Background klang teilweise schon etwas schräg und irgendwie wirkt sein Beitrag auf mich wie nicht aus dieser Zeit. Obwohl er in der Halle für Stimmung sorgen wird, da bin ich mir sicher. Im Gegensatz zu Armenien ist Tschechien für mich kein sicherer Finalkandidat. Zwar singt Gabriella toll – aber irgendwie hat das Lied doch gewissen Längen. Von den beiden rockigeren Beiträgen sehe ich Zypern vor Montenegro, außerdem wird die starke Botschaft von Bosnien-Herzegowina hängenbleiben. Während es Island mit bewährter Performance ins Finale schaffen dürfte, steht für mich hinter Ira Losco ein großes Fragezeichen. Mit einem Startplatz in der ersten Hälfte hätte ich die Felle davonschwimmen sehen. Da kann sie noch so viel über das Wasser laufen.
Eine Enttäuschung - am Bildschirm – war übrigens der zum Mitfavoriten hochstilisierte Franzose. An einigen Stellen ist der Song doch zu hoch für Amir. Bleibt zu wünschen, dass er die Töne, die er teilweise nicht trifft, bis zum Finale noch findet. Wenn nicht, landet Barei mit ihrer schmissigen Nummer vor Amir. Ich bin sowieso der Meinung, dass Spanien das beste Ergebnis seit vielen Jahren einfahren wird.
Heute Abend treten die nordischen Länder im Euroclub auf. Wir sind gespannt, glücklicherweise liegt Aserbaidschan im Süden... Benni