Seit gut drei Tagen laufen nun schon die geschlossenen ersten Länderproben in Turin. Wie gewohnt kommt pro Tag je eine Semifinalhälfte dran, wir sind an Tag vier heute also bereits im zweiten Teil des zweiten Semis.
Was neu ist in diesem Jahr sind die Clips auf TikTok, die pro Land in gerade mal 40 Sekunden quasi im Schweinsgalopp Einblicke ins Einsingen, die Stellprobe, den Gang zur Bühne, die Probe an sich und den Gang herunter von der Bühne geben. Und das smartphonegerecht ausschließlich im TikTok-üblichen Hochformat. Wohlgemerkt – 40 Sekunden. Da bleibt nicht viel Zeit, um auch nur einen ersten „richtigen“ Eindruck vom Staging zu bekommen, geschweige denn die Umsetzung einer Idee zu erleben und einzuschätzen, ob es rund wirkt oder nicht so recht zum Lied oder Künstler passen mag. Und zumeist werden diese Sequenzen mit dem Song aus der Konserve unterlegt, und kaum mit dem originalen Bühnenklang aus der Halle.
Dafür gibt es aber wieder die offiziellen Bildergalerien auf eurovision.tv mit rund einem Dutzend Bilder pro Land vom Auftritt und Backstage. Dazu läuft ein Live-Blog pro Tag, der die Auftritte allerdings nur ganz knapp und wohlwollend beschreibt - Farben, Outfits, ggf. mal ein Hinweis auf Aufbauten - und ansonsten weitgehend nur die Links veröffentlicht, die zu den TikTok-Schnipseln und den Galerien führen.
Verständlich – als Haus- und Hofberichterstatter schreiben die eingesetzten Blogger hier natürlich nicht mal ansatzweise kritische Anmerkungen auf, was den Delegationen aber auch wiederum die große Freiheit gibt, sich in Ruhe auszuprobieren und nicht jede Anfangspanne draußen im Äther zerrissen zu wissen – stürzende Serbinnen, aneckende Zypriotinnen oder tonverfehlende Spanier inklusive, wie letztens in Rotterdam.
Immerhin wissen wir jetzt, das Ronela mit sehr viel nackter Haut ins erste Semifinale einsteigt und dass das Team aus Portugal mit einem sehr angenehm reduzierten Setting es wieder schaffen könnte, viele zu überraschen. Auch freut mich, dass Mia aus Kroatien ihren einsamen Tänzer aus dem Vorentscheid eingetauscht hat gegen ein Trio – was bei einem Lied über die Frau zwischen zwei Männern ja auch mehr Sinn ergibt. Griechenland hat umgeworfene Stühle auf der Bühne verteilt, während Finnland, Serbien und Georgien in Farbe, Requisite und Choreographie so ziemlich das präsentieren, was wir nach Video und Vorentscheid erwarten würden. Brooke hat vier Tänzerinnen mit dabei, während Stefan aus Estland seine Cowboys zuhause gelassen zu haben scheint. Lassen wir uns überraschen, wenn wir mit etwas Zeitversatz dann bald genauer wissen, was genau sich jede Delegation ausgedacht hat.
Nun, wir sind durch den jahrelangen Luxus, tatsächlich all diese Vorgänge vom ersten Tag an live verfolgen und kommentieren zu können, natürlich verwöhnt. Das Kribbeln am allerersten Probentag, speziell: bei der allerersten Schalte in die Halle zur ersten Probe des ersten Landes, hat schon was ganz Besonderes an sich – man erlebt einfach live im Detail mit, wie die konkrete Umsetzung unseres geliebten Contests des aktuellen Jahrgangs entsteht und sich von Tag zu Tag weiterentwickelt. Das Kribbeln stellte sich in diesem Jahr bei vielen von uns wegen der restriktiven Umstände nicht mehr wirklich ein, und viele auch unserer internationalen Freunde haben ihre Anreise nach Turin nach hinten geschoben, andere wegen der hohen Preise auch ganz gestrichen. Bleibt zu hoffen, dass das die Community nicht allzu sehr auseinanderrupfen wird.
Na, dann will ich mich mal den nächsten Schnipseln zuwenden, vielleicht kommt das Kribbeln ja doch noch unverhofft langsam auf…