Die erste Generalprobe für das erste Semifinale liegt in den letzten Zügen. Es war schon eine Vermutung, dass die Wege zwischen Medienzentrum und der Halle sehr lang sein würden. Im strömenden Regen kommt einem der Weg, der natürlich nicht überdacht ist, ewig vor. Klatschnass bin ich nun wieder im Medienzentrum angelangt. Wie immer in der ersten Probe gehen Dinge noch schief, wobei sich die Verzögerungen ausschließlich auf technische Probleme im Hintergrund bezogen, nur ab und an reichte die Umbauzeit nicht aus.
Großbritannien versucht überall die Ukraine als zweiten Gastgeber einzubeziehen. Ob in den Postkarten, der Eröffnung oder auch dem großartigen Intervalac, spielt die Ukraine eine tragende Rolle.
Hier ein paar Eindrücke aus der Halle. Man kann es aber nicht oft genug sagen, dass der Sound in der Halle oft stark vom Fernsehton abweicht, auch die echten TV-Bilder werden nur sehr selten auf den Screens gezeigt.
Norwegen: Alessandra wirkt absolut sicher auf der Bühne, die Inszenierung sitzt. Es wirkt aber auch alles etwas steril, aber es wird gut für Norwegen ausgehen, zumindest morgen.
Malta: Hier gab es die erste Verzögerung, denn Malta hat sehr viele Elemente, die auf die Bühne geschoben werden müssen. Es wird mehrere verschiedene Settings geben, in denen sich The Busker aber offenbar sehr wohl fühlen. Der Song zählt nicht zu meinen Favoriten, aber die Stimmung, die bei diesem Act rüberkommt, ist ganz wunderbar.
Serbien: Luke haucht in seinem Song mehr als er singt, so ist das in der Halle noch schwerer zu beurteilen, wie das am Fernsehen rüberkommt. Insgesamt erschließt sich die Inszenierung mir nicht, sie ist aber fast identisch zur Vorentscheidung. Aufgrund der frühen Startnummer ist Serbien für mich der erste Wackelkandidat.
Lettland: Tja, die armen Letten werden wohl um letzten Platz singen. An einigen Stellen hat der Leadsänger noch seine Stimme geschont. Sperrig ist der Song auf jeden Fall, aber ich fürchte, für die meisten zu sperrig. Zum Einsatz kommen die Ann-Sophie-Gedächtnisscheinwerfer, kein gutes Omen.
Portugal: Eine deutliche Steigerung zur Vorentscheidung bieten für mich Mimicat und ihre Begleiter. Sie selbst sagte diese Woche, dass ihr Kostüm von Bibo aus der Muppetshow inspiriert sei, halt nur in Rot, sie kann es aber tragen. Und nicht nur das Outfit bieten einen schönen Farbtupfer in diesem Semi.
Irland: Ich gestehe, dass ich den Song jetzt nicht SO schlecht finde, wie er überall gemacht wird. Umso enttäuschter bin ich nach dieser Probe. Selbst in der Halle klang es an einigen Stellen schräg, und nur ein goldener Jumpsuit reicht halt auch nicht aus. Schade.
Kroatien: Im Grunde ähnelt der Auftritt dem aus der Vorentscheidung und kommt sehr professionell rüber. Man muss kein Fan des Beitrags sein, um zu erkennen, dass Let 3 damit sehr weit kommen werden. Und ja, in der Halle hat es mich auch gepackt. Vor allem als sie am Schluss vorlaufen und sich die Kleider vom Leib reißen und in Feinrippunterwäsche (sah zumindest so aus) auf ihre Instrumente einschlagen.
Schweiz: Für mich das erste echte Highlight dieses Semifinales. Stimmlich ist Remo einer besten in diesem Jahrgang und auch die Inszenierung ist sehr stilvoll und unterstreicht den Song. Ich kann mich dem Unwohlsein, dass viele mit dem Text haben, nicht anschließen. Mit Jurywertung wäre er ganz sicher im Finale, aber es sollte auch im reinen Televote reichen. Hoffe ich.
Israel: Gestern gab sich Noa Kirel auf dem türkisenen Teppich als echter Star und rannte nur zu den allerwichtigsten Medien. Es umgab sie auch tatsächlich ein kleiner Hauch eines Stars, der sie zweifellos in Israel ist. In der Halle meine ich, dass ihre Stimme nicht immer da sitzt, wo sie sollte. Natürlich ist das alles hoch professionell, lässt mich aber auch etwas ratlos zurück. Für den Schnelldurchlauf wurde auch nur die Tanzszene ausgewählt.
Moldau: Pasha war zum Teil nicht richtig zu hören, möglicherweise ein technisches Problem. Beiträge wie diese sind seit geraumer Zeit Mangelware beim ESC, sodass ich hoffe, dass er es ins Finale schafft. Es ist alles so auf die Bühne gebracht, wie man solche Ethno-Acts auch inszenieren sollte.
Schweden: Ja, auch ich bin von der Loreen-Euphorie ein bisschen runter. ABER. Daheim sehen fast alle diesen Act, der in einigen Länder im Radio läuft, zum ersten Mal. Auch in Baku stand Loreen in den Pressewetten kurz vor dem Finale nur um den fünften Platz rum. Ganz objektiv betrachtet liefert Loreen ab, auch das veränderte LED-Sandwich funktioniert gut. Dennoch glaube ich, dass Schweden nur als Zweiter aus diesem Semi gehen wird.
Aserbaidschan: Selten habe ich mir einen Beitrag so schön gehört wie diesen, doch nützen wird es nichts. Die beiden bringen eine schöne Musikfarbe in den Wettbewerb, sind auch sehr stylish gewandet, singen gut, und doch fehlt das Quäntchen, welches sie für einen Finaleinzug bräuchten.
Tschechien: Alle fünf Sängerinnen von Vesna haben sich sind in freundliches Rosa gehüllt, schwingen ihre falschen Zöpfe ganz wunderbar und harmonieren stimmlich aufs Beste. Da sitzt alles.
Niederlande: Nachdem Mia und Dion ja einiges an Kritik über sich ergehen lassen mussten, da die Prepartys nicht so gut für sie liefen, würde ich mich sehr freuen, wenn sie ins Finale kommen würden. Dieser Auftritt hat einige schöne, fast magische Momente. Stimmlich gab es in der Halle nichts zu meckern. Doch gibt es genügend Anrufer für diesen ruhigen Song? Ich fürchte nicht.
Finnland: Was soll man zu Finnland noch sagen? Ach ja: WINNER. Eine perfekte Show bietet uns Käärijä und die Pressevertreter in der Halle flippen aus. Ich lege mich fest, es geht 2024 nach Finnland. So.
Nach den 15 Acts aus dem Semi durften auch Frankreich, Deutschland und Italien proben, da sie auch morgen mit stimmberechtigt sind und interviewt werden. Heute Abend bei der Juryshow werden die drei Acts dann in vollen Kostümen aufgenommen und dann ab morgen auch auf eurovision.tv in voller Länge abrufbar sein. La Zarra hat schon im Kostüm geprobt und sich in schwindelerregende Höhen geschraubt. Komischerweise hat mich dieser Auftritt noch nicht gepackt, so schön sie auch singt, bleibt in der Halle ein etwas fader Geschmack zurück. Möglicherweise wird das aber im TV durch die Schnitte deutlich effektvoller rüberkommen.
Lord of the Lost haben noch in „zivil“ geprobt. Sie bringen mit ihrem Gerüst das größte Element auf die Bühne in diesem Jahr. Und es sieht so viel wertiger aus als das Gerüst aus der Vorentscheidung. Chris liefert stimmlich gut ab, auch der Sound kommt kraftvoll, aber nicht nervig rüber. Es gab einige Feuerfontänen, ein bisschen Funkenflug am Ende, da hatte ich mehr erwartet, aber vielleicht sparen sie die enormen Kosten für diese Pyroeffekte für heute Abend auf. Auf jeden Fall eine sehr runde Nummer.
Marco Mengoni hatte heute ein neues, noch knapperes Leibchen an, aber vielleicht auch nur zur Probe. Bisher auf den Probenbildern war nicht zu erkennen, dass er im Hintergrund zwei Tänzer beschäftigt, die sich immer wieder in ein Trampolin fallen lassen. Bin gespannt, wie das am Fernseher dann eingebaut wird. Über die Stimme muss man gar nicht reden, sensationell.
Am Ende konnte man noch sehen, dass, wie schon gerüchteweise geschrieben wurde, die 15 Sängerinnen und Sänger alle auf der Bühne stehen, um die Verkündung der Finalisten über sich ergehen lassen zu müssen. Eine fragwürdige Änderung, zumal die Glücklichen von der Freude ihres Teams separiert werden und die nicht so Glücklichen dann etwas bedröppelt auf der Bühne rumstehen müssen.
Heute Abend dann die Juryprobe. Ja, es stimmen auch in diesem Jahr im Semifinale die Jurys ab, kommen aber nur wirklich zum Einsatz, falls es Probleme mit dem Televote geben sollte.
Nun noch rasch durch den Regen in die Stadt, um dann am Rechner die zweite Generalprobe zu verfolgen, falls der Stream mich lässt.