Ich fahre in diesem Jahr tatsächlich zum Eurovision Song Contest!
Bereits heute haben sich die ersten Künstler und Akkreditierten auf den Weg in die Niederlande gemacht, am Dienstag wird auch meiner (eine negative Testung vorausgesetzt) nach Rotterdam führen. In die Stadt, die ich bei einem kurzen Aufenthalt im vergangenen Juli durchaus ins Herz geschlossen habe. Waren die Hoffnungen auf ein baldiges Wiedersehen mit vielen meiner ESC-Freunde da noch sehr groß, sind diese dann im Winter von Woche zu Woche gewichen. Einen ESC und das Drumherum in Rotterdam mit eigenen Augen mitzuerleben? Im März tendierten die Chancen für mein Empfinden gen Null.
Als Michael Anfang April unsere Bereitschaft für Akkreditierungen abklopfte, war ich extrem unsicher. Mein Herz sagte ja für einen ESC vor Ort, mein Kopf allerdings klar nein. Ist es zu verantworten, in dieser Zeit in die von COVID-19 stark gebeutelten Niederlande zu fahren? Nein, ist es nicht. Allein aus Bequemlichkeit war meine Entscheidung eigentlich schon früh gefallen. Eine „Einreise“ in die Niederlande, eigentlich habe ich es nach Rotterdam näher als nach Hannover, und das Eintreten in die ESC-Bubble sei in diesen Zeiten doch mit einem großen logistischen Aufwand verbunden. Tests hier, Tests da - und dann noch der Kostenfaktor… Andererseits war da diese unbändige Neugier! Dem ECG würden zudem doch ein paar Eindrücke aus erster Hand, etwas Stoff für die Social-Media-Kanäle und eigenes Bildmaterial für die TOM gut zu Gesicht stehen. Ich erinnere mich da an eine Dusche, in der ich - neben meiner Körperpflege natürlich (bitte kein Kopfkino jetzt!) - gleich mehrfach meine Meinung zu einem Trip ins Nachbarland geändert hatte…
Ein paar Tage hatte ich mir Zeit gelassen und immer wieder hin- und herüberlegt. Nachdem dann meine Eltern, die ich regelmäßig sehe, ihren ersten Impftermin erhalten hatten und auch bei mir die Aussicht Bestand, möglicherweise vor Abreise noch meine erste Dosis erhalten zu können, entschloss ich mich, mir einen möglichen Aufenthalt vor Ort offen zu halten. Wird die sogenannte „Onsite-Akkreditierung“, der diesjährige Name für eine Präsenz im Pressezentrum vor Ort, akzeptiert, fahre ich hin. Und wenn nicht, verfolge ich die Proben dann vor dem heimischen Laptop. Beides wäre zu diesem Zeitpunkt für mich absolut in Ordnung gewesen. Ich stellte mich auf mein Wohnzimmer ein.
Als ich dann am 13. April schon nach wenigen Tagen die Antwort „We are pleased to inform you that your application for accreditation for Eurovision Song Contest Rotterdam 2021 has been accepted.“ im Postfach hatte, stieß ich erst einen Ausruf der Verblüffung aus und stieg dann rasch in die Vorbereitungen für meine kurze Reise ein. Und da waren dann plötzlich diese Gefühle, welche ich seit dem Beginn der Pandemie nicht mehr gehabt hatte, aber schmerzlich vermisste: Euphorie und Reisefieber. Gepaart mit bevorstehenden Erlebnissen rund um den ESC sind diese besonders schön.
Mit einer Akkreditierung für Rotterdam möglicherweise zuhause zu bleiben, eine intakte Gesundheit vorausgesetzt, war für mich nie ein Thema. Denn einer von nur 500 Presseakkreditierten in der Stadt zu sein, ist schon ein riesengroßes Privileg. Und den ECG vor Ort zu vertreten sowieso. Dies ist alles andere als selbstverständlich und dafür bin ich sehr dankbar. Obwohl die wilden Partynächte für uns alle ausfallen und weitere Einschränkungen auf uns zukommen werden, kann ich mir vorstellen, dass der/die eine oder andere sehr gerne mit mir tauschen wollen würde. Und davor habe ich großen Respekt.
Während euch meine vier Kollegen über die Auftritte und Pressekonferenzen auf dem Laufenden halten, nehme ich euch an dieser Stelle in den kommenden gut zwei Wochen - bei negativer Testung - mit auf meine ungewisse und abenteuerliche Reise in die Niederlande - ein Gegensatz in sich normalerweise… Ich versuche, euch Eindrücke aus der Gastgeberstadt zu vermitteln, die den meisten von uns eigentlich schon letztes Jahr eine große Freude hätte bereiten sollen. Gewähre euch - im für mich besten Fall nicht zu große - Einblicke in mein Seelenleben (hoffentlich wird es nicht zu einsam). Und schaue welche Geige Corona im ESC-Orchester spielt (ach nee, kommt ja alles vom Band).
Ich bin sehr gespannt, und ich hoffe, ihr seid es auch ein bisschen.